Auf „Anatomy: Eine Liebesgeschichte“ von Dana Schwartz war ich schon länger gespannt. Das Cover hat mich sehr angesprochen und auch das grundlegende Setting: Eine junge Frau im Edinburgh des frühen 19. Jahrhunderts möchte gegen die gesellschaftliche Norm verstoßen und Chirurgin werden. Doch leider hat das Buch meine Erwartungen überhaupt nicht standhalten können.
Achtung! Die folgenden Punkte enthalten Spoiler!
Flache Charaktere und vorhersehbarer Plot
1. Grund: Die Charaktere sind unheimlich flach. Über Jack lernen wir nur, dass er in eine Kollegin verliebt war. Sonst scheint er weder Vergangenheit noch Charakter zu haben. Warum Hazel überhaupt Chirurgin werden will, ist unklar. Sie hat halt früher gerne die Bücher ihres Vaters dazu gelesen, aber das war mir nicht genug. Schließlich investiert sie einiges und geht hohe Risiken ein, um Chirurgin zu werden – nicht stimmig für mich.
2. Grund: Es ist unplausibel: Hazel richtet eine Art Krankenhaus im Haus ein, während ihre Mutter fort ist. Und keiner der Bediensteten sagt etwas dazu? Es droht keine Gefahr? Sie reitet mit einem Mann der Unterschicht durch die Gegend und fliegt nicht auf?
3. Grund: Grund drei ist sehr nah an Grund zwei: Die Geschichte ist inkohärent und hält seine eigenen Prämissen nicht ein. Am Anfang wird noch von Anstandsdamen gesprochen, später geht Hazel alleine in den Park. Und plötzlich hat Hazel eine sexuelle Beziehung zu Jack in einer Zeit, in der ein Kuss schon zur Hochzeit zwingen würde.
4. Grund: Die Übersetzung ist an manchen Stellen schwach. Beispiel: „Die Tiere wurden unter den Studenten verteilt, ebenso wie Skalpelle, die dem Aussehen nach schon seit Jahren in Gebrauch waren. Hazel kratzte bei ihrem einen bräunlichen Tropfen getrockneten Blutes vom Griff.“
5. Grund: Der Plot war mir nach einem Viertel klar und sehr vorhersehbar. Das „Netz aus Geheimnissen und Intrigen“, das im Klappentext angekündigt wird, ist wirklich kein Netz, sondern ein sehr simpel gestrickter… Lappen?
6. Grund: Die Beschreibung von Edinburgh wirkt nicht sehr atmosphärisch, da habe ich mir mehr erhofft.
7. Grund: Die Beziehung zwischen Hazel und Jack hat ebenso wenig Tiefe wie die Charaktere. Sie finden sich anziehend, das war’s auch schon. Mehr steckt da wohl nicht dahinter.
8. Grund: Oberndrauf gibt es noch Logikfehler. Beispiel: Hazel hilft einer Frau beim Gebären. Stundenlang (tagelang?) schwitzt sie und arbeitet. Und direkt danach kommt das: „Jack lehnte Hazel gegen einen Holzbalken und entfernte die Nadeln aus ihren Haaren, woraufhin sich diese in dicken Locken über ihre Schultern ergossen. Wie verzaubert schmiegte er sein Gesicht in ihr Haar, um ihren betörenden Duft in sich aufzunehmen.“ (S. 287) Na klar, die Frisur sitzt auch nach dem messy business einer Geburt.
Was mir dennoch gefallen hat
Ein paar gute Haare muss ich an dem Buch aber doch lassen und will sie hier nicht ausblenden: Es war so leichte Lektüre, dass es sich schnell lesen lies. Obwohl ich wusste, wohin es geht, war doch ein wenig Spannung dabei. Gut gefielen mir die Einschübe von Briefen, Zeitungsartikeln und Buchauszügen, die zwischen den Kapiteln eingefügt wurden, da sie sich auch grafisch abheben.
Insgesamt gebe ich dem Buch dennoch nur 1 von 5 Sternen.
„Anatomy: Eine Liebesgeschichte“ von Dana Schwartz, erschienen 2022 im Loewe-Verlag. Übersetzt von Cornelia Röser. 16,95 Euro für das Taschenbuch. Das Buch habe ich privat geschenkt bekommen.
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